R. Stark: Robert Walser und Der Buntscheck

Titel
Sprache auf der Goldwaage. Robert Walser und Der Buntscheck


Autor(en)
Stark, Roland
Reihe
Schriften des Robert Walser-Zentrums 2
Erschienen
Bern 2012: Robert Walser-Zentrum
Anzahl Seiten
58 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Lukas Boser, Section d'histoire, Université de Lausanne

Dieses schmale Büchlein (es umfasst nur etwas mehr als 20 Textseiten, ist dafür mit 21 farbigen Abbildungen reich bebildert) erzählt die Geschichte, wie es dazu kam, dass sich zwei Erzählungen des Schweizer Schriftstellers Robert Walser in einem deutschen Bilderbuch mit dem Titel Der Buntscheck wiederfinden und wie die Zusammenarbeit zwischen dem Herausgeber Richard Dehmel, dem Schriftsteller Robert Walser und dem Illustrator Ferdinand Edmund von Freyhold ausgesehen hat.

Der Butscheck erschien 1905 als zweites Kinderbuch von Richard Dehmel. Einige Jahre zuvor hatte er, zusammen mit seiner Frau, bereits ein Buch für Kinder mit dem Titel Fitzebutze geschrieben und herausgegeben. Diesem Buch misst der Autor von Sprache auf der Goldwaage, Roland Stark, grosse Bedeutung bei, er meint gar, es markiere «den Beginn des modernen illustrierten Kinderbuches» (S. 7). Der Erfolg des Fitzebutze animierte Dehmel dazu, ein weiteres Kinderbuch herauszugeben, diesmal jedoch nicht ein von ihm geschriebenes, sondern eines mit Texten von namhaften, zum Teil noch jungen deutschsprachigen Autorinnen und Autoren.

Das Buch Sprache auf der Goldwaage gliedert sich in sechs Kapitel. Das erste ist der «neuen Kinderkunst» (S. 7), wie Stark dies nennt, gewidmet und beschreibt den historischen Kontext der Reformpädagogik, in dessen Milieu sowohl der Fitzebutze als auch der Buntscheck angesiedelt werden können. Stark nimmt aus dieser pädagogischen Erneuerungsbewegung nur die bekanntesten Schlagworte wie Kind-Zentrierung oder Kunsterziehung auf. Dabei werden gerade am Beispiel der Entstehungsgeschichte des Buntschecks auch andere Seiten der Reformpädagogik sichtbar, wie etwa, dass sie ein Sammelbecken für anmassende Selbstdarsteller war wie auch ein lohnendes Geschäftsfeld für Autoren, Verleger und Schulgründer.

Im zweiten Kapitel rekonstruiert Stark die Zusammenarbeit von Walser und Dehmel anhand von Briefen. Dabei wird deutlich, wie wenig Walser sich daraus machte, an einem «künstlerisch wertvollen» (S. 9) und für den «Adressaten ‹Kind› geeignete[n]» (S. 11) Bilderbuch mitzuarbeiten. Hatte er zunächst seine Mitarbeit zugesagt, so spürte er alsbald keine Lust mehr dazu und als ihn diese dann «zufällig» (S. 17) doch wieder überkam, sandte er ein Gedicht ein, das allen Wünschen des Herausgebers zuwiderlaufen musste. Schliesslich lieferte Walser zwei kurze Geschichten ab, welche die Zustimmung Dehmels fanden. Auch hier konnte er sich eine spitze Bemerkung nicht verkneifen, als er schrieb, die Arbeit an den Texten sei sehr ermüdend gewesen, denn Kinder seien «furchtbare Feinschmecker» (S. 17). Das ist eine Feststellung, die so gar nicht mit dem reformpädagogischen Kindbild übereinstimmt, wie es etwa durch die schwedische Schriftstellerin Ellen Key und ihr 1902 in deutscher Übersetzung erschienenes Buch Das Jahrhundert des Kindes verbreitet wurde. Insbesondere im dritten Kapitel zeigt Stark auf, dass Dehmel die feine Ironie Walsers nicht verstand – was schlussendlich ein Glück war, denn sonst wäre die Zusammenarbeit wohl kurzum beendet worden. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der zeitgenössischen Kritik am Buntscheck. Diese war grossenteils vernichtend. Das Buch, über dessen Erscheinen sich die Kinder hätten «glücklich schätzen» sollen (S. 29), fand bei den Rezensenten keinen Anklang. Auch kommerziell war es wenig erfolgreich, es verkaufte sich schlecht und lag «wie Blei am Lager» (S. 33). Das fünfte Kapitel ist den Illustrationen Ferdinand Edmund von Freyholds gewidmet und im sechsten Kapitel schliesslich sind je zwei Versionen der kurzen Geschichten Walsers abgedruckt.

Über die anderen Texte im Buntscheck erfährt man leider nur sehr wenig. Dabei wäre gerade der Vergleich mit ihnen besonders reizvoll. Walser hatte ganz offensichtlich die Absicht, den in der deutschen Reformpädagogik weitverbreiteten pädagogischen «Bierernst» (S. 21), der allzu oft im Gewand des «heiligen Ernstes» daherkam, zu unterlaufen. Dass ihm dies auch gelungen ist, zeigt Stark mehrfach. Was ist aber mit den anderen Autorinnen und Autoren? Wie interpretierten sie die Aufforderung, «vom Kinde aus» (S. 7) zu dichten? Wie gestaltete sich das Zusammenspiel von Bild und Text bei ihnen? Insgesamt ist das Buch Sprache auf der Goldwaage durchaus lesenswert, denn es ermöglicht den Leserinnen und Lesern interessante Einblicke in die Entstehungsgeschichte eines Kinderbuches zur Zeit des beginnenden 20. Jahrhunderts.

Zitierweise:
Lukas Boser: Rezension zu: Stark, Roland: Sprache auf der Goldwaage – Robert Walser und Der Buntscheck. Bern: Robert Walser-Zentrum 2012. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 75 Nr. 4, 2013, S. 85-86.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 75 Nr. 4, 2013, S. 85-86.

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